(Foto: Vera Rüttimann)
Ein zentraler Ort der Bürgerrechtsbewegung
Der ökonomische Wettlauf der Systeme verschob sich in den 1980er-Jahren immer sichtbarer zuungunsten der DDR. Die Planwirtschaft produzierte in veralteten Anlagen ohne Rücksicht auf Umweltschäden. Diese traten immer deutlicher zu Tage, durften aber nicht thematisiert werden. Niemand hatte darüber zu diskutieren, schon gar nicht Gruppen im kirchlichen Umfeld.
Die Umwelt-Bibliothek (UB) wurde 1986 in der Griebenowstraße 15/16 in Berlin-Mitte in den Räumen des Pfarrhauses der Zionsgemeinde geöffnet. Aus Protest gegen die Atomenergie nach dem Atomunfall in Tschernobyl hatten sich junge Leute zusammengefunden, die den UB-Friedens- und Umweltkreis bildeten. Pfarrer Hans Simon ermöglichte diesen unerschrockenen jungen Menschen, ihre Arbeit in der Zionsgemeinde weiterzuführen. Simons theologische Haltung war: „Von Gott kann nur verantwortlich gesprochen, gedacht und an ihn geglaubt werden, wenn zugleich vom Menschen und seiner sozialen, ökonomischen und politischen Wirklichkeit geredet wird. … Kirche darf nicht für sich selbst da sein, sie muss mit ihren Aktivitäten in die Gesellschaft hineinwirken“.
Die Umwelt-Bibliothek entwickelte sich schnell zu einem oppositionellen Zentrum. Ihre Mitglieder trieben den Vernetzungsprozess zwischen den politisch alternativen Basisgruppen in der DDR voran. Monatlich erschienen die „Umweltblätter“ in 150 Exemplaren. Mit dem Hinweis „Innerkirchliche Information“ waren die Blätter legalisiert. In der UB-Galerie wurden Diskussionsabende, Lesungen und Ausstellungen mit vom DDR-Regime verfemten Künstlern veranstaltet. Die Bibliothek stellte Literatur zur Verfügung, die der SED-Staat seinen Bürgern vorenthielt. Ziel der UB war es, das staatliche Informationsmonopol hauptsächlich in den Bereichen Menschenrechte, Friedens- und Umweltpolitik zu brechen.
Am 24. November 1987 drang die Staatssicherheit der DDR (Stasi) gewaltsam in die Pfarrwohnung ein, durchsuchte die Gemeinderäume und verhaftete sieben Personen. Der Überfall löste einen Proteststurm mit Mahnwachen, Transparenten und Fürbitte-Andachten aus, worüber die Westmedien berichteten. Gemeinde und Kirchenleitung stellten sich schützend und vermittelnd vor die Gruppe. Der öffentliche Druck bewirkte die Freilassung der Inhaftierten. Diese Aktion wurde zu einem Fanal für die Bürgerrechtsbewegung in der gesamten DDR.
Protestplakat der Umwelt-Bibliothek (© Zionsarchiv)